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Chacel, Rosa
Memoiren einer Elfjährigen -
Leticia Valle
Roman. Aus dem Spanischen |
von Maralde
Meyer-Minnemann. |
Hg. von Peter Kultzen. |
210 Seiten, Geb. |
€ 14,90 SFr 26,80 *Ö-€ 15,30 |
(ISBN) 3-87410-045-6 |
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Das Wort Memoiren im Titel dieses Romans ist
eine Provokation. Es scheint unmöglich, daß eine Elfjährige soviel
Vergangenheit besitzen sollte, Memoiren zu schreiben. Doch unter der Oberfläche
von Leticias wenigen Jahren tritt Stück für Stück ihr extremes Leben hervor.
Ihre Erinnerung reicht zurück bis zu dem Tag,
an dem sie zum ersten Mal eine Empfindung davon hatte, wie sie als Baby auf der
Brust ihrer Mutter lag. Und sie macht nicht Halt vor dem Drama im Hause von Don
Daniel und Señora Luisa, das der Grund für ihr jetziges Schweizer Exil ist.
Dazwischen liegen all die »unerhörten«
Ereignisse: der Tod ihrer Mutter, die Geheimnisse um den so lange abwesenden
Vater, der sich im marokkanischen Feldzug »von den Mauren töten lassen will«,
wie man im Haus so sagt, und eines Tages als Invalide zurückkommt. Dazwischen
liegen auch all die Entdeckungen der Welt, die Leticia umgibt, die Menschen, zu
denen sich ihr Verhältnis mehr und mehr vertieft, das Erwachen ihres
Wissensdurstes und ihrer künstlerischen Neigungen: eine wachsende
Lebensspannung.
Und dann geschieht etwas Entscheidendes: Sie
kommt in das Haus des Stadtarchivars Don Daniel, um Musikunterricht bei seiner
Frau Doña Luisa zu erhalten. Es kommt zu einer Dreieckskonstellation, die zur
überwältigenden intellektuellen und emotionalen Herausforderung für Leticia
wird. Ungekannte Erlebnisse für den Geist und die Gefühle aller drei Personen,
führen die ausweglose Beziehung zwischen Don Daniel und Leticia herbei.
In Memoiren einer Elfjährigen – Leticia
Valle, ihrem dritten Roman (1946), zeichnet Rosa Chacel ein meisterhaftes
psychologisches Porträt ihrer Heldin, eines leidenschaftlichen und komplexen
Charakters. Leticia, auf der Schwelle vom Mädchen zur Frau, scheint mit
abwechselnd respektloser Hellsichtigkeit und zärtlich-verderbter Einfühlung
mit ihrer eigenen Leidenschaft zu spielen – und mit derjenigen, die sie in den
Personen ihrer Umgebung entfesselt.
Pressestimmen:
"Rosa Chacel gelingt, was wenigen Autoren
gelingt: von einem Geheimnis zu reden, ohne dunkel zu werden, es preiszugeben,
ohne, daß sich die Sprache versündigen müßte. Sie spricht es nicht aus, sie
zeigt es nur. Aus diesem Grund ist dies ein kleines Meisterwerk. Der Leser wird
bei der Hand genommen und geführt. Dem Unausgesprochenen aber, das die Sätze
immer genauer umschreiben, steht der Leser ohne Hilfestellung gegenüber.
Niemand sagt ihm, was geschehen ist, er erkennt es selbst, erkennt, daß es
nicht anders gewesen sein kann…"
Hubertus Breuer in der Mittelbayerischen Zeitung
Leseprobe:
„Die Hand, die mein Haar festhielt, hatte es
bis auf eine Locke losgelassen, die sie zwischen den Fingern hielt. Ich sah die
beiden Männer an, die sich unterhielten, ohne sich um mich zu kümmern, und
schaute auf die Spitze der Locke, die weiter in jener Hand lag, die sie zwischen
den Fingern rieb wie ein Stück Stoff, das man prüfen will, ohne Rücksicht
darauf, daß sie an meiner Schläfe festgewachsen war. Indem ich unmerklich zog,
brachte ich sie dazu, sie loszulassen. Ich sagte nur Guten Abend und rannte
fort."
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Bio/Bibliographie
In der Oase Teresa
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