Ortiz, Mauricio

Über den Körper

89 Erzählungen über den menschlichen Körper. 
Mit einem Vorwort von Antonio Tabucchi.
Aus dem Spanischen von Maralde Meyer-Minnemann.
196 Seiten, Geb., Gestaltung: Johannes Steil
€ 19,90 [D] € 20,50 [A] SFr 35,20
(ISBN) 3-87410-099-5

Gruss aus dem Ursumpf 
Mauricio Ortiz' Reise um den Körper in 90 Texten 
Kritik der Neuen Zürcher Zeitung vom 26.3.2005

Der engste Vertraute und zugleich nur ein entfernter Bekannter ist dem Menschen sein Körper. Seine wissenschaftliche Erforschung ist ein großes Thema unserer Zeit. Und doch ist die Wissenschaft nicht in der Lage, uns umfassend über ihn aufzuklären.
Mauricio Ortiz ist Wissenschaftler und hat die mangelhafte Erklärungsfähigkeit der Wissenschaft so stark empfunden, daß er einen anderen Blickwinkel für seine Erkundungen wählte. Daher ergeben sich aus seinen Versuchen andere Fragen, die den Körper des Menschen in einem weiteren Rahmen sehen: Was ist der Körper? Etwas, das uns gehört, oder etwas, dessen Geisel wir sind? Die Augen, die Muskeln und Knochen, die Genitalien? Was innen geschieht – oft an undefinierbaren Orten des Innern –, was mit den Ejakulationen, dem Durst und den Lüsten, der Liebe und der Phantasie, das und ein ganzer Kosmos mehr, das ist der Körper.

Über den Körper, das Buch des Neurobiologen Mauricio Ortiz ist auf die denkbar entspannteste Art klug und amüsant. Und es ist ein wunderbar literarisches Buch. Antonio Tabucchi führt in das Thema des Buches, das er in Mexico entdeckte, ein.

Über den Körper ist eine fesselnde Auswahl von Texten, in denen der menschliche Körper – dieser große Fremdling – von Kopf bis Fuß, von allen Seiten, von außen und innen mit wissenschaftlicher und literarischer Genauigkeit beschrieben wird.
Revista Cambio

Über den Körper leuchtet wie eine kleine Abhandlung, teils gelehrt, manchmal ironisch, mal melancholisch, mal subjektiv, gelegentlich objektiv bis wissenschaftlich und poetisch.
El Informador

"Für die Zusendung des wunderbaren Buches von Mauricio Ortiz: ÜBER DEN KÖRPER danke ich Ihnen herzlich. Mit dem Vorwort von Antonio Tabucchi ist dieses Buch ein einziges Kompliment an Ihren Verlag. Ich freue mich schon jetzt darauf, auch andere auf dieses Werk aufmerksam machen zu können. Recht bald wird dies geschehen, wenn ich mich in Graz anlässlich eines Festvortrags darauf beziehe...
Es ist heikel, über sich selbst zu sprechen, ohne die Grenzen der Aufdringlichkeit und Indiskretion zu überschreiten. Es ist schwierig, über den Körper zu schreiben, ohne ihn in den Worten verschwinden zu lassen oder der Vernunft in den Rücken zu fallen. Beide Komplikationen meistert Mauricio Ortiz in seinem Buch über den Körper in unnachahmlicher Weise. Der Körper wird nicht vergegenständlicht und vermessen. Er wird buchstäblich zu seiner Sprache und mit dem Leib der Leserinnen und Leser in einen Dialog gebracht. Erfahrung klingt hier in Erfahrung wieder, und das Vertraute wird wie neu entdeckt..."
Prof. Dr. Käte Meyer-Drawe, Bochum


Mauricio Ortiz (*1954 Mexico) widmete sich nach dem Medizinstudium der Biophysik, speziell der Ionen-Kanäle. 
Nach einem Forschungsstipendium in Burlington/Vermont in den USA wandte er sich einer literarischen und editorischen Tätigkeit zu. Er ist Kolumnist der mexikanischen Zeitung La Jornada, für deren Wissenschaftsseite er die Kolumne ZigZag schreibt.

Antonio Tabucchi (*1943 Vecchiano/Pisa) lehrte in Genua portugiesische Sprache und Literatur und war Leiter des italienischen Kulturinstituts in Lissabon. International bekannt wurde er mit «Indisches Nachstück», «Erklärt Pereira», das mit Marcello Mastroianni verfilmt wurde, und zahlreichen anderen Büchern.  
Er entdeckte auf abenteuerliche Weise das selbstverlegte Buch von Mauricio Ortiz in Mexico, ohne zu wissen, wer der Autor ist. Er war so begeistert, daß er über das Werk des Unbekannten eine Seite in der spanischen Tageszeitung El País schrieb, was dazu führte, daß das Buch in einem angesehenen Verlag erschien – und jetzt auch in deutscher und französischer Übersetzung.

Pressestimmen:

Neue Zürcher Zeitung vom 26.3.2005

Gruss aus dem Ursumpf
Mauricio Ortiz' Reise um den Körper in 90 Texten

Wenn der Mensch sich schmeicheln will, denkt er sich vom Verstande her. Als einzigartiges Wesen darf er sich dann fühlen, Homo sapiens sapiens, mit Intellekt und Sprache gesegnet, allem Übrigen, was sich auf Erden «Leben» schimpft, durch sein Abstraktionsvermögen unendlich überlegen. Mögen die anderen fressen, saufen, dösen und verdauen, sich Flöhe aus Fell und Federn picken - er, der schlaue, kultivierte, verfeinerte Mensch, bleibt kühner Denker, die Stirn in kluge Falten gelegt, die Augen bald nach innen, bald zum Himmel gerichtet, nie müde werdend auf der Suche nach dem Guten, Schönen, Wahren. Ja, es ist ein erhabenes, ein gefälliges Bild, das der Mensch sich von sich selber malt, eines, das noch leichter von der Hand geht, seit die Fortschritte der Medizin ihm zahllose Pein genommen haben. Und er darum vergessen darf, dass er, im Übrigen, auch noch einen Körper hat, und vielleicht kann man gar sagen: dass er ein Körper ist. Und zwar, wenn man nur ehrlich ist, nicht nur im Übrigen, sondern in allererster Linie. Und ein Gehirntier erst in zweiter.

Dass der Mensch mindestens so viel Körper wie Geist ist, zeigt nun der mexikanische Arzt und Publizist Mauricio Ortiz in seinem beklemmend peinlichen, schreiend komischen Buch «Über den Körper», einer Sammlung von 90 deftigen Textminiaturen, die sich, meist kaum mehr als anderthalb Seiten lang, genüsslich allem widmen, was man über den Körper so genau gar nicht wissen wollte, zumindest nicht lesen wollte. Oder vielleicht doch? Vielleicht sogar gern, sehr gern - jedenfalls dann, wenn man Sinn für schrägen Humor hat. Einen Humor, der neben dem Sinn fürs Deftige gelegentlich auch Raum fürs Sublime lässt, sich zu fast sakraler, mindestens bester idealistischer Tonhöhe aufschwingt. So etwa, wenn er einräumt, dass es auch schön sein kann, einmal nicht an den Körper zu denken. Bedeute dies doch, vergessen zu dürfen, «dass es das Fleisch gibt, und seine Existenz in einem plötzlichen Geistesblitz, einer Ahnung von Ewigkeit rundheraus zu leugnen».

Aber Blitze währen nur kurz, so auch dieser. Evokationen des Erhabenen sucht man sonst vergeblich in diesem Buch. Denn gewidmet ist es all dem, was den Menschen an seine Herkunft aus dem Ursumpf erinnert: die zahllosen Flüssigkeiten, die er absondert, den Schmalz, den Talg, die Dämpfe; die finsteren Brocken und warmen Lüfte, die ihm Tag für Tag entfahren; die Haare, die ihm allenthalben spriessen, die Krallen, die ihm aus Händen und Füssen wachsen; die Quaddeln, Warzen, Pusteln, die auf seiner Haut erblühen; die Geruchsspuren, die er hinter sich herzieht; die Millionen Tierchen, denen sein Körper eine Heimat bietet. Für all dies interessiert sich Ortiz, und noch mehr interessiert er sich für die Faszination, mit der der Mensch Tag für Tag sein Dasein als Erdklumpen feiert.

Ein unentwegtes Bohren, Kneifen, Zwicken, Wischen zieht sich durch dieses Buch, ein Kratzen, Kneten, Beissen, das den Menschen, den männlichen zumindest, als ausgemachten Autoerotiker entlarvt. Beim Umgang mit seinen Hoden etwa: «Die Testikel lieben es, befummelt zu werden. Auf der Strasse, bei Versammlungen, in der Untergrundbahn, auf dem Baseball-Feld, überall und immer gibt es jemanden, der seine Eier kratzt. Es gibt Menschen, die sich den lieben langen Tag, wenn nicht gar ihr ganzes Leben, dieser verbreiteten Gewohnheit hingeben, und es gibt sogar welche, die sie zu ihrem Beruf oder zu einer Kunst machen. Niemand sollte allerdings vergessen, die Andacht mindestens einmal am Tag zu zelebrieren.»

Ortiz hat einen genialen Sinn für alles, was peinlich ist. Und er kultiviert diesen Sinn nach Kräften, verwandelt ihn in eine höchst genaue, anschauliche - allzu anschauliche Sprache. Dicht ist sein windig-flexibler Stil den Windungen des Körpers auf der Spur, vor allem dann, wenn es wenig Rühmliches zu entdecken gibt. Das ist schockierend, abschreckend, irritierend. Aber zugleich ein wunderbares Initiationserlebnis. Eines, das auch den Leser in neuem Licht erscheinen lässt. So dreckig, berichtet verwundert die Ehefrau des Rezensenten, habe sie ihren Mann noch nie lachen gehört.

Kersten Knipp

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