Gabriele Stötzer im P. Kirchheim Verlag:    
erfurter roulette
 Die bröckelnde Festung  Das Leben der Mützenlosen

Die taz schreibt am 22.12.2008 zu Gabriele Stötzer in der Ausstellung „re.act.feminism“:
„Lohnend sind schließlich auch die Kapitel zur feministischen Kunst im Ostblock von Ewa Partum und Gabriele Stötzer. Letztere rief mit ihrem Aufbegehren gegen das offizielle Frauenbild die Stasi auf den Plan, die 1983 eine „Liquidierungs- und Zersetzungskonzeption“ für die DDR-Künstlerin beschloß. Im Westen beließ man es bei stillschweigender Geringschätzung und Verleugnung – bis heute erfolgreich.
„re.act. feminism - Performancekunst der 1960- und 70er-Jahre heute“. Bis 8.2. in der Akademie der Künste, Berlin, Hanseatenweg, Tagung mit Live-Performances 22. - 25.1.09.“ Der ganze Artikel: http://www.taz.de

ART- DAS KUNSTMAGAZIN 
FREITAG 19 / 12 / 2008
Re.act.feminism Berlin
 

EINE KISTE FÜR BRÜSTE UND PROTEST 
Funktioniert die Berliner Werkschau "Re.act.feminism" in der Akademie der Künste als schlagfertiges Gegenargument für den männerdominierten Kunstbetrieb? Kito Nedo über eine Bestandsaufnahme weiblicher Performance-Kunst und vielversprechende Neuentdeckungen. 
// KITO NEDO, BERLIN
"Die Kunst besitzt kein Geschlecht", schrieb die amerikanische Kunstkritikerin Lucy Lippard Mitte der siebziger Jahre und vergaß freilich nicht, hinzuzufügen: "Künstlerinnen und Künstler hingegen schon." Lippards Text, der den männerdominierten Kunstbetrieb kritisierte, erschien anlässlich einer Ausstellung der Österreicherin Valie Export. Deren Werk hat – wie sonst vielleicht nur noch das von Yoko Ono – ganze Generationen jüngerer Künstlerinnen zur Produktion von feministischer Kunst, vor allem von Performances, inspiriert. Mit ihrem "Tapp- und Tastkino" (1968) etwa, einer vorgeschnallten Kiste, durch die Pas­santen die Brüs­te ihrer Trägerin berüh­ren konnten, stellte die Künstlerin ganz im Einklang mit dem radikalen Zeitgeist ihren Körper als Material und Werkzeug in den Dienst der Kunst. 

Wenn nun in der Berliner Akademie der Künste erstmals eine auf Europa und die USA fokussierte Bestandsaufnahme der feministischen Performancekunst in den sechziger und siebziger Jahren zu sehen ist, dann ist natürlich auch Valie Export dabei. Doch viel mehr als an der Präsentation von weithin bekannten Klassikern ist den beiden Kuratorinnen Bettina Knaup und Beatrice E. Stammer an der Erweiterung des Blickwinkels und der Dokumentation der vielfältigen Ansätze gelegen, die von ganz unterschiedlichen Aktivistinnen in den USA sowie Ost- und Westeuropa verfolgt wurden. So finden sich unter den Wer­ken und Dokumentationen von rund 25 Künstlerinnen auch weniger bekannte Na­men, wie etwa der von Lorraine O’Grady, die in New York als "Mlle Bourgeoise Noire" ab 1980 auf Ausstellungseröffnungen lautstark gegen die Unterrepräsentation und die Selbstverleugnung afroamerikanischer Künstler protestierte und zugleich die Behauptung bekräftigte, dass Kunst die Welt ver­ändern könne. 
Selbst die Mauer konnte die Ausläufer der feministischen Avantgarde nicht stoppen. Denn tief in der DDR-Provinz, und argwöhnisch beobachtet von der Staatssicherheit, gründete die Künstlerin Gabriele Stötzer in Erfurt Anfang der Achtziger mit "Exterra XX" das erste und einzige unabhängige Künstlerinnen-Kollektiv, das neben gemeinsamen Film- und Fotoarbeiten auch Performances zeigte.
"re.act.feminism" 
Termin: bis 8. Februar 2009. Hanseatenweg, Berlin. Katalog: nach Ende der Ausstellung geplant. 

Ausstellungsbesprechung: re.act.feminism in der Akademie der Künste Berlin
(Re.act.feminism, Berlin, Einspieldatum: 16.12.2008)


Yoko Ono ist der Aperitif. In der von Bettina Knaup und Beatrice E. Stammer kuratierten Ausstellung re.act.feminism. Performancekunst der 1960er und 70er Jahre heute, die derzeit in der Berliner Akademie der Künste zu sehen ist, begegnet man zuerst Yoko Ono. Genauer Onos berühmtem Cut Piece, das sie 1964 in Japan erstaufgeführt hat. Bei dieser Performance, die Onos Instruction Pieces zuzurechnen ist, werden die Rezipienten aufgefordert, mit einer Schere die Kleidung der Künstlerin in Fetzen zu schneiden. Die Künstlerin bleibt dabei ganz passiv, lässt die Angriffe geschehen und liefert damit ein äußerst eindringliches Sinnbild von Gewalt und Verletzlichkeit. Mit einer Wiederaufführung im Jahr der amerikanischen Irak-Invasion 2003 erbrachte Yoko Ono den Beweis, dass sich ihr Stück so schnell nicht verbraucht. Das bezeugen nun auch die beiden Video-Dokumentationen von 1964 und 2003 als gelungener Auftakt von re.act.feminism. 

Auf Yoko Ono folgt zunächst ein Videoarchiv. Aus etwa 80 Performance-Dokumenten, Videoperformances und Künstlerinnen-Interviews kann sich dort jeder Besucher sein eigenes Programm zusammen stellen. Um viereckigen Augen vorzubeugen gilt jede Eintrittskarte für einen zweiten Besuch. Dass es sich bei dem Projekt re.act.feminism um weit mehr als eine Ausstellung handelt, äußert sich zudem in einer Tagung zur theoretischen Vertiefung und vor allem in einem beeindruckenden Programm an Live-Performances – beispielsweise von Tanja Ostojic oder Antonia Baehr. 

In der Ausstellung selbst werden ausgewählte Performances von 24 Künstlerinnen zweier Generationen vorgestellt. Neben prominenten Arbeiten europäischer und amerikanischer Künstlerinnen sind Performances von ost- und südosteuropäischen Künstlerinnen wie Sanja Ivekovic oder Ewa Partum und von Künstlerinnen der DDR wie Gabriele Stötzer vertreten. Darüber hinaus werden zeitgenössische Neuformulierungen, archivarische Ansätze und Re-enactments gezeigt, in denen die frühen Positionen der Pionierinnen Resonanz finden. 

Bei der Performance Art werden die Körper der Künstler und ihre Handlungen ebenso wie die Reaktionen des Publikums zu Kunst. Auf diese Weise entsteht eine unmittelbare Verschmelzung von Künstler und Werk, Kunst und Leben. Zudem häufig außerhalb traditioneller Kunstorte angesiedelt, ermöglicht die Performance direkte gesellschaftliche Intervention. In der gesellschaftlichen Umbruchszeit der 1960er und 70er groß geworden, konnte die Performance als immaterielle und dynamische Kunstform gegen Materialismus, gesellschaftliche Konventionen und festgelegte Identitäten eingesetzt werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich vor allem Frauen dieser Kunstform bedienten, um ihre Rolle zu reflektieren und neu zu entwerfen. Ihre zentralen Themen wie Identität oder Gewaltverhältnisse spiegeln sich in der Ausstellung entsprechend wider. 

Wie kann man jedoch Performancekunst formal dokumentieren, wie dem Widerspruch entgegentreten? Mit einem mehrteiligen Projekt wie re.act.feminism, in dessen Rahmen Pionierinnen und jüngere Künstlerinnen hier und jetzt performen – sodass das Problem mit der Kunstform selbst konfrontiert wird. Doch auch den meisten hier ausgewählten Fotodokumentationen gelingt es, die Aufführungen nahe zu bringen, oft nicht weniger als den Videos. Ansprüche und Ziele der Künstlerinnen lassen sich weitgehend erschließen. Der Aufführungskontext hingegen naturgemäß eingeschränkter. Davon geben die installativen Neuauflagen von Ulrike Rosenbach, Colette oder Maja Bajevic etwas mehr Vorstellung. Re.act.feminism. Performancekunst der 1960er und 70er Jahre heute. Man kann dabei sein und wäre auf jeden Fall gerne dabei gewesen! 

Öffnungszeiten: Dienstags bis sonntags 11-20h

Ausstellungsdauer: 13. Dezember 2008 – 8. Februar 2009

Akademie der Künste
Hanseatenweg 10, 10557 Berlin
adk.de/reactfeminism/index.htm 
Carola Conradt

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